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Zwei Artikel im Economist vom 10. Oktober 2020 und in der FAZ über die «Ameisen» (english «Ant»), den chinesischen Konzern AntGroup, haben mich veranlasst, eine kurze Übersicht über das Bezahlen in der Weltgeschichte zu erarbeiten. Angeregt hat mich auch der Bericht von Helens Freundin, die nach einer kürzlichen Chinareise erzählte, dass man in China ohne ein Account von AliPay oder WeChatPay und der entsprechenden App auf dem Smartphone bei vielen Gelegenheiten nicht mehr bezahlen kann. Die Abrechnung erfolgt über ein chinesisches Bankkonto. Touristen, die nur in den wenigsten Fällen über ein solches verfügen, können neuerdings ersatzweise diese Services über eine VISA-, Master- und teilweise auch DINER-Card abwickeln. In China sind Kreditkarten hingegen, genau wie Bargeld, Schnee von gestern. Auch der Bettler wird von Smartphone zu Smartphone bezahlt.
Nochmals zurück zum Aufhänger: Wer ist die fleissige Ameise «AntGroup»?
Hier die Links zu den erwähnten Artikeln. Unten habe ich versucht eine Zusammenfassung in Deutsch zu machen.
Im Westen ist die AntGroup in den letzten Tagen in die Schlagzeilen gekommen, weil die Firma den grössten IPO plante (Initial Privat Offering, Platzierung von Aktien auf dem Markt), ursprünglich für den 5. November 2020. Am 4. November 2020 stoppte die Börse von Shanghai den IPO, anscheinend waren nicht alle Auflagen erfüllt. Die Gruppe wird von den Aufsichtsbehörden nun neu als ein bankähnliches Institut eingestuft und unterliegt daher erhöhten Anforderungen. Die Aktienausgabe muss überarbeitet werden, es wird mit einem neuen Angebot in den nächsten 6 Monaten gerechnet. Mit dem IPO will die Gruppe 34,5 Milliarden Dollar durch Ausgabe von Aktien auf den Börsenplätzen Shanghai und Hongkong beschaffen. Der IPO von SAUDI ARAMCO war bisher mit 29 Milliarden Dollar der grösste. Bisher wurden all die grossen Aktienausgaben, auch von chinesischen Konzernen, in New York (z.B. an der NASDAC Börse) getätigt. Aufgrund der Spannungen zwischen USA und China hat sich die AntGroup nun für Shanghai und Hongkong entschieden, obwohl Alibaba als einer der grössten Besitzer im NASDAC (noch) gelistet ist. Es gibt Indikationen, dass die Ausgabe voll gezeichnet werden könnte. Das Interesse der Investoren ist gross. Dass der Börsenplatz New York nicht zum Zuge kommt, hat dazu geführt, dass der US-Senator Marco Rubio Wege sucht, die Anlage zu stoppen oder massiv zu verzögern. Die USA geraten uns also auch bei den Börsenplätzen ins Hintertreffen.
Wem gehört der Fintech-Konzern AntGroup?
Heute gehört der Konzern zu 33% Alibaba, und 50,4% sind im Besitze von 2 Finanzfirmen (Junhan und Junao), im Besitz von Jack Ma und seinem Kernmanagementteam (ca. 36 Personen). Der Rest teilt sich auf auf kleine Beteiligungen. Da Jack Ma auch Alibaba kontrolliert, hat er zurzeit die volle Kontrolle über die Firmengruppe. Im IPO Prospekt hat er angekündigt, stufenweise seine Beteiligungen in den nächsten Jahren zu reduzieren. Als sein Fernziel hat er 8% Aktienanteil genannt.
Der Konzern wurde 2004 gegründet und hat seither seinen Namen mehrmals geändert. Aus ursprünglich «Alibaba E-commerce» wurde über «Ant Small», dann «Micro Financial Service» schliesslich 2014 die «AntGroup». Der Firmenhauptsitz ist in Hangzhou, eine 10 Millionen Einwohner Stadt 150 km südwestlich von Shanghai. Zurzeit arbeiten «nur» etwa 9000 Mitarbeiter für die Gruppe, die jetzt einen geschätzten Wert von rund 200 Milliarden US$, nach dem IPO von 250 - 300 Milliarden US$ hat. Der Umsatz lag 2019 bei 17.5 Milliarden US$, der Gewinn betrug 2,6 Milliarden US$. Im ersten Halbjahr 2020 soll der Gewinn, trotz COVID 19, schon 8.5 Milliarden US$ betragen.
Welche Dienstleistungen erbringt der Konzern?
Was ist das Geheimnis für das rasche Wachstum?
Der Konzern setzt auf modernste Technologien und auf die halbe Weltbevölkerung.
Die Heimbasis ist China, aber der Konzern hat JVs (Joint Venture) in Indien und allen bevölkerungsreichen
Ländern in Süd- und Südostasien. Dort leben fast 4 Milliarden Menschen. In Europa und anderen chinesischen Touristenhotspots bietet er hauptsächlich seinen Service für die asiatischen Touristen an. Damit kaufen sie ihre Souvenirs,
auch bei vielen Geschäften in der Schweiz.
Die IT der AntGroup ist nicht nur in der Lage, riesige Datenmengen online zu verarbeiten, sondern tut dies auch mit einer hohen Qualität.
Für die Beurteilung des Bezahlungsrisikos werden
zirka 3000 Variablen genutzt. Die Programme stützen sich auf KI-Algorithmen (künstliche Intelligenz) inklusive automatische Personenerkennung. In den wenigen Jahren der Konzern eine gewaltige Datenmenge über ihre Kunden erarbeitet. IoT (Internet
of Things) und Blockchaine Technologien kommen sofern sinnvoll zum Einsatz.
Über einen Kreditantrag soll innerhalb von 3 Minuten entschieden werden: bewilligt oder abgelehnt. Da benötigt man nicht einmal eine Kaffeepause beim Shoppen!
Damit habe ich einen kurzen Blick geworfen auf ein Unternehmen und auch einen Markt, den es vor 20 Jahren nicht gegeben hat.
Der grosse Konkurrent im Bezahlgeschäft auf dem chinesischen Markt ist WeChat Pay vom Tencent Konzern. Die amerikanischen Anbieter PayPal und ApplePay sind dagegen Zwerge, und die Zahlungs-Apps von traditionellen Banken bei uns sind Nischenanbieter.
Aber nach einem Blick auf die aktuelle Front der Zahlungssysteme, nun einige Schritte zurück zu den Anfängen des «Zahlens».
Ohne Geld
Der Homo Sapiens kannte bis etwa 3000 BC nur zwei Optionen zur Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen:
Um das Problem zu umgehen, dass man etwas erwerben wollte, wofür man keinen vom Verkäufer akzeptierten Tauschgegenstand hatte, wurden über die Zeit standardisierte (wertvolle) Gegenstände (Edelsteine, Gold, Silber, Muscheln, …) als ein allgemeines Zahlungsmittel verwendet. Die Gegenstände mussten leicht, dauerhaft, nicht verderblich und selten sein. Selten darum, damit ein solches Zahlungsmittel nicht einfach aufzutreiben war, denn dann hätte der Gegenstand aufgrund der Inflation schnell an Wert verloren.
Münzen
Als der Fernhandel begann, lebten Verkäufer und Käufer weit voneinander
entfernt, und der Transport der Zahlungsmittel war anfällig, von Wegelagerern und Piraten gestohlen zu werden. Auf den grossen Handelsrouten entstanden Handelshäuser (Gilden, Hansen, Fugger), die im Wesentlichen die Güter transportierten und
innerhalb ihrer Organisation die Guthaben gegenrechneten, sodass die Zahlungsmittel nicht transportiert werden mussten. Die Zahlungsmittel wurden standardisiert, indem man aus wertvollen Metallen Münzen prägte. Gold oder Silber, aber auch besondere
Legierungen aus Kupfer, Zinn, Zink waren das Material für die Münzen. Die Regierenden nahmen sich schnell das Recht, solche Zahlungsmittel (Florin, Gulden, Coin d’Or, … ) herzustellen und zu ihrem Vorteil in den Handel zu bringen. Je
stärker die Organisation war, die dahinter Stand, umso vertrauenswürdiger waren ihre Münzen.
Papiergeld
Im Jahre 1024 wurde während der Song Dynastie erstmals in Chengdu in Zentralchina Papiergeld herausgegeben.
Als Marco Polo 1276 von China zurückkam, berichtete er, dass in China auch Papiergeld anstelle von Münzen zur Zahlung verwendet werde.
Der erste Papiergeldversuch in Europa kam über 300 Jahre später im Jahre 1483 in Spanien. Dann vergingen nochmals 200 Jahre, bis weitere kleine Papiergeldausgaben stattfanden, 1661 in Stockholm, 1694 bei der Bank of England, 1705 in Deutschland und 1718 grössere Mengen in Frankreich. Erst am Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die Staaten, Papiergeld herauszugeben. China war also mit der Einführung eines neuen Zahlungsmittels mehrere hundert Jahre früher als Europa. Bei der heutigen Umstellung auf volle elektronische Zahlungsmittel scheint China wieder Vorreiter zu sein. Wahrscheinlich hat Europa diesmal nicht Jahrhunderte Zeit zum Nachziehen.
Cheque – Check – Scheck (formal in Deutschland)
Checks sind älter als Münzgeld. Schon 2000 BC gab es Dokumente, die den Anspruch auf Güter in einem Lager
garantierten (Lagerschein).
Zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert fand die erste Formalisierung durch Königshäuser und «Banken» statt.
Im 19. Jahrhundert wurde der Einsatz vermehrt durch Gesetze geregelt, die Anwendung konzentrierte sich stark auf den Handelsbereich. Den Höhepunkt erreichte der Check im 20. Jahrhundert. Es gab viele Arten von Checks und Herausgeber. Mir sind noch einige gut in Erinnerung, Bankcheck, Euroscheck, Travellerscheck von AMEX, usw. Die Schweiz war jedoch nie ein Check-Land. Aus meiner persönlichen Erfahrung wurde in Frankreich und den USA viel mehr mit Check bezahlt. Beim Einkaufen im Supermarkt oder im Restaurant haben viele Kunden in diesen Ländern das Checkbuch gezückt und bezahlt. Häufig sieht man das noch in alten amerikanischen Filmen. Technisch gab es verschieden Arten von Checks, die folgende Grafik zeigt eine einfache Struktur. Da die Checkzeit vorbei ist, will ich nicht tiefer in die Regulationen eintauchen.
Bank- Postüberweisung mit Papier
In meiner Jugend bekam man in der Schweiz die grünen Einzahlungsscheine mit der Post zugestellt, zahlte am Postschalter bar ein, bekam den abgestempelten Quittungsabschnitt zurück
oder einen Stempel ins gelbe Quittungs-Büchlein. Nachdem die meisten Personen ihr Bankkonto hatten, begann man die Einzahlungsscheine mit einem Zahlungsauftrag an seine Bank zur weiteren Abwicklung, zu senden, für viele ältere Leute heute noch
Standard.
Banküberweisung papierlos
Nach dem breiten Aufkommen des Internets im neuen Jahrtausend haben Banken Systeme eingeführt, die es den Kunden erlauben, ihre Konten papierlos zu verwalten und Aufträge über
das Netz abzuwickeln (einzelner Auftrag, Dauerauftrag, Lastschriftverfahren, …). Zur Datensicherheit wurden teilweise komplizierte Identifizierungsmethoden eingeführt (Papierlisten mit Einmal-Codes, separate elektronische Geräte für die
Bestätigung).
Kreditkarte
Von den USA aus verbreitete sich in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts die Kreditkarte über die ganze Welt (AMEX, VISA, MASTERCARD, DINERS usw.). Das vereinfachte insbesondere das
Bezahlen beim Reisen oder beim Kauf von grösseren Einkäufen. Das Risiko, dass einem das Bargeld gestohlen wird, wurde damit minimiert. Der Wechsel in andere Währungen wurde von den Banken oder Kreditkartengesellschaften im Hintergrund abgewickelt.
Das Mitführen von Fremdwährungen wurde einem abgenommen.
Bankomat und Bankkarte
Da weiterhin viel mit Bargeld bezahlt wurde und die Beschaffung von Bargeld vereinfacht werden sollte, wurden die «Geldspeier»
(Bancomat, Postomat, …) eingeführt. Deren Funktionen wurden laufend erweitert. Neben der Ausgabe von Bargeld in mehreren Währungen dienen sie heute auch teilweise als Terminal für weitere Bankgeschäfte. Da in ihrem Inneren viel Bargeld
gelagert wird, werden sie immer wieder Zielscheibe für spektakuläre Einbrüche. Zudem besteht die Gefahr, dass Geheimcodes beim Eintippen geklaut werden. Mit den heute neuen Zahlungsmöglichkeiten verliert das Bargeld laufend an Bedeutung.
Die Umstellung auf bargeldlosen Zahlungsverkehr wird stark gefördert, nicht zuletzt im Hinblick auf bessere Kontrolle der Geldflüsse. Die Verwendung der Bancomaten verliert an Bedeutung, teilweise werden sie abgeschafft.
Bezahlen in Zukunft
In grossen Schritten werden die globalen Zahlungsmöglichkeiten auf elektronische Systeme umgestellt. Ich habe den Gesamtkomplex in fünf Themenbereiche gegliedert. Die Umstellung auf kontrollierte E-Währungen liegt für die Staaten auch im Interesse der Strafverfolgungsbehörde (Geldwäsche) und der Steuerbehörde (Steuerhinterziehung).
Sichere Identifikation
Ein wichtiger Punkt bei der Abwicklung der
elektronischen Bankgeschäfte ist die Überprüfung der Berechtigung, insbesondere die Identifikation der berechtigten Person. In den letzten Jahren wird mit verschieden Systemen experimentiert und geübt. Zu Beginn war ein Passwort genügend.
Die Sicherheit solcher Anwendungen ist aber klein und anfällig für Missbrauch. Mehr und mehr ist eine doppelte, voneinander unabhängige, Identifikation notwendig. Die zu Beginn verwendeten Einmal- Codelisten (TAN Transaktionsnummer) dürften
schon wieder der Vergangenheit angehören. Für Bankgeschäfte sind verschiedene Arten von Bestätigungs-Token im Einsatz. Die Smartphones übernehmen vermehrt direkt diese Token-Funktionen mit entsprechenden Apps. Neben dem Anmelden über
das Internet mit Passwort wird auf einem zweiten Weg ein zeitlich begrenzter zusätzlicher Code (mTAN, chipTAN, smsTAN, pushTAN, …) zugestellt, den man dann auch eintippen/bestätigen muss. Vermehrt kommen auch persönliche Körpermerkmale
als zur Identifikation zum Einsatz. Mögliche Methoden sind Fingerabdruck, Augen-Iris Scan, Gesichtserkennung, Spracherkennung. Viele Endgeräte (Smartphone, Pads, Laptop) besitzen heute die entsprechenden Sensoren. Zur Schnellidentifikation und Anmelden
hat der QR Code eine wichtige Bedeutung bekommen. Nachfolgend ein QR Beispiel zur Erinnerung.
Kryptologie - Verschlüsselung
Damit das E-Geld selbst sicher ist und nicht verändert werden kann, kommt der Verschlüsselungstechnik (Kryptologie) eine zentrale Bedeutung zu. Verschlüsselung
gibt es seit Jahrtausenden, aber meistens wurden sogenannte symmetrische Verschlüsselungstechniken verwendet, d.h. Versender und Empfänger mussten parallel zur Nachricht die passenden Codeschlüssel austauschen. Dies ist bei der heutigen Datenmenge
zu wenig sicher und in der Anzahl und der Übertragungsgeschwindigkeit kaum möglich. Die Anzahl der Codes zu verwalten fordert bzw. überfordert wahrscheinlich viele von uns. In den letzten Jahrzehnten haben die asymmetrischen Verschlüsselungs-Techniken
das Feld erobert, bei denen zwei Schlüssel parallel zur Anwendung kommen.
Die Blockchain Technik ist heute das weitaus bekannteste Beispiel für asymmetrische Verschlüsselungs-Technik. Für eine komplette Transaktion sind zwei Schlüssel des Empfängers notwendig. Eines ist der öffentliche Schlüssel, auch «Public Address» genannt und der private Empfängerschlüssel. Wie oben dargestellt sendet der Empfänger dem Sender seine «Public Address». Mit diesem wird die Nachricht verschlüsselt. Die Entschlüsselung ist nur mit dem privaten Empfängerschlüssel möglich. Die verwendeten Schlüssel sind sehr komplex und können praktisch nicht geknackt werden. Bei Bitcoin z.B. hat der private Schlüssel 256 duale Bitstellen, als Dezimalzahl ausgedrückt etwa 80 Stellen. Solche Codes sind mit den heutigen Computern kaum zu knacken, vielleicht einmal in der Zukunft, wenn Quantencomputer zur Verfügung stehen werden. Fremdzugriffe sind nur möglich, wenn die Eingabedaten durch Unachtsamkeit oder durch Tricks vor der eigentlichen Verschlüsselung in fremde Hände kommen oder der Empfängerschlüssel entwendet wird. Für ein sicheres Navigieren im Netz ist ein gewisser Sachverstand bezüglich des Systems und dessen Navigationskonzeptes erforderlich. Nur damit kann sichergestellt werden, dass der Nutzer nicht übertölpelt wird oder er unwiderruflich seine Guthaben verliert – Ersatzschlüssel gibt es keine!
Wie viele Kryptowährungen gibt es heute?
Aktuell
soll es zwischen 3'000 und 7'000 verschiedene Kryptowährungen geben. Davon haben aber nur etwa 20 einen Marktwert von 1 Milliarde Dollar oder mehr erreicht. Alle diese Währungen werden von privaten Organisationen betrieben und unterliegen keinen
oder sehr schwachen staatlichen Regeln. Die Pioniere der Blockchain Währungen kommen aus der libertären Ecke. Die Vertreiber sind überzeugt, dass es für die Herausgabe von E-Geld keine Staatsbanken (Nationalbank) braucht. Die Staaten sollen
sich um ihre traditionellen Währungssysteme kümmern und die Finger von den Kryptowährungen lassen. Mit der Blockchain Technologie steht ihnen jetzt ein unabhängiges System zur Verfügung, das ausserhalb von staatlichen Regelungen und
Eingriffen funktionieren kann. Die Zentralbanken haben in den letzten Jahren dem Treiben zugeschaut, und einige Geschäftsbanken kooperieren mit der aktuellen Krypto Welt. Die Staaten sind aber der Meinung, dass sie die Kontrolle über die Währung
behalten wollen und müssen. Ein Finanzsystem nach der Wild West Methode würde die internationale Finanzwelt destabilisieren. Besonders das angekündigte Projekt von Facebook, die elektronische Währung «LIBRA» zu schaffen, hat
die Staatsbanken aufgeschreckt. Seit etwa drei Jahren führen sie intensive Studien für eigene E-Währungen durch. Siehe Kapitel «Elektronische Währungen» weiter unten. Die meisten heutigen Kryptowährungen, die ohne zentrale
Koordinationsstelle arbeiten, fluktuieren nach Angebot und Nachfrage. Sie gleichen eher einer Aktie als einem Geldschein. Einige Blockchain-Währungen (Stablecoin) sind aber auch an eine staatliche Währung gebunden, meistens US$, und fluktuieren
fix zusammen mit der Leitwährung. Ein bekanntes Beispiel ist «Thether». Auch «LIBRA» soll nach diesem System funktionieren. Private Stablecoins werden es schwer haben. Die National-/Zentralbanken wollen den Bereich für sich
sichern.
Das obige Diagramm zeigt die Bitcoin Schwankungen über 5 Monate im Jahr 2018. Auf dieser Basis ein allgemeines Zahlungssystem einzuführen wird den Anspruch von vielen Nutzern nicht erfüllen.
Die Algorithmen der unten erwähnten
Systeme vorzustellen übersteigt den Rahmen dieses Aufsatzes. Für die Interessierten gibt es heute viele Bücher und Artikel zu diesem Thema, siehe auch Literaturverzeichnis unten, und die Webseiten der verschiedenen Währungen.
DLT
Die meisten der heutigen neuen Krypto Systeme für Werttransaktionen und Datensicherung beruhen auf DLT (Distributed Leger Technik), so auch Blockchain. Das heisst die gleichen
Daten werden systematisch an mehreren Orten abgelegt. Wenn nachträglich an einem Ort die Daten geändert würden, entdeckt das System die Abweichung und verbietet die Änderung. Im traditionellen (Banken) System wird von einer verantwortlichen
Organisation ein Hauptbuch geführt. Nachfolgend stelle ich kurz zwei DLT Lösungen vor: Blockchain und Tangle Technik.
Blockchain
Blockchain ist ein dezentrales Netzwerksystem mit einem grossen Verschlüsselungsaufwand und mit den heutigen Computern kaum zu knacken. Die meisten heutigen Kryptowährungen benutzen
diese Technologie. Das dezentrale Netzwerk braucht keine zentrale Organisation, also keine Zentralbank oder Bank, die sich grosszügig dafür bezahlen lassen, das System zu steuern und überwachen. Den Vorteilen von Sicherheit, Unabhängigkeit
und tiefen Transaktionskosten stehen jedoch die folgenden Nachteile gegenüber:
Die folgenden zwei Darstellungen zeigen das Prinzip der dezentralisierten Hauptbücher (ledgers) und den Ablauf einer Blockchain-Transaktion.
Tangle-Systeme
Um den Nachteilen der Blockchain Technologie etwas entgegenzusetzen, sind auch schnellere Systeme mit weniger Energieverbrauch und Kosten in Entwicklung. IOTA, das zurzeit bekannteste
Krypto Tangle System, ist zurzeit als Alternative zur Blockchain Technologie in der Einführung- und Testphase.
Die primären Anwendungen von IOTA sind heute nicht Geld-Wallets und Zahlungsverkehr, sondern die Sicherung von Daten aus der Welt von Industrie 4.0 und IoT (Internet of Things). Auch bei diesen Daten muss sichergestellt werden, dass Dritte die Daten nicht verändern können, um Vorteile zu erwirken oder Schaden anzurichten. Zum Beispiel dürfen Aussenstehende sich nicht in die Prozesse beim automatischen Fahren einklinken können und Fehlinformationen oder Fehlfunktionen hinterlegen. Auch müssen diese Prozesse in Millisekunden ablaufen und nicht innert Minuten, wie dies bei Blockchain Anwendungen der Fall ist. IOTA hat aber auch den Zahlungsverkehr im Fokus. Siehe auch https://www.iota.org/
Elektronische
Abwicklung des traditionellen Zahlungsverkehrs
Die Banken bauen ihre heutigen E-Banking-Systeme weiter aus, damit der Kunde mehr oder weniger alle Transaktionen und Übersichten über einen Computer/Pad/Smartphone über das Internet
in real time durchführen bzw. einsehen kann. Die notwendigen Sicherheitssysteme werden immer weiter ausgebaut. Elektronische Schnittstellen zu anderem Dienstleistern werden mehr und mehr angeboten (Versicherungen, monatliche Zahlungen, hier in der Türkei
z.B. auch die Autobahngebühren).
Electronic wallet – Das elektronische Portemonnaie
Mit dem Aufkommen vom Internethandel wurde und wird mit vielen elektronischen Zahlsystemen experimentiert. Da die Personen nicht mehr
physisch sichtbar sind, hat die Sicherheit der Transaktion dabei eine grosse Bedeutung bekommen. Eine fälschungssichere Identifikation ist unabdingbar.
Mehr und mehr wird auch das Bezahlen direkt von Smartphone zu Smartphone möglich, selbst für kleinste Beträge.
Die grossen globalen Anbieter von electronic wallets sind wie in der Einleitung schon erwähnt: WeChat Pay, AliPay, PayPal, ApplePay. Auf internationaler Ebene gibt es noch unzählige mehr, wie PayPal plus, GoogleCheckout, Amazon Payment, Braintree, … . Lokale Schweizer Lösungen sind SIX Payments, Post Finance E-Payments, Payrexx, Datatrans, Stripe, … .
Elektronische Währungen
Seit 200 Jahren werden die Währungen
im Wesentlichen durch Staaten herausgegeben und reglementiert. Mit dem Aufkommen von elektronischem Geld wagen sich auch wieder private Organisationen in diesen Bereich vor. Die heutigen Kryptowährungen und auch geplante Kryptowährungen, wie z.B
LIBRA sind Ansätze, auf privater Basis eine Währung zu schaffen. Die DLT insbesondere auch Blockchain Technik erlaubt, wie schon erwähnt, den Aufbau und den Betrieb einer Währung ohne eine Zentralbank. Die Staaten sind beunruhigt, dass
ihnen die Kontrolle über die Währungen entgleitet. Viele Zentralbanken haben Studien gestartet, wie sie eigene elektronische Währungen (CBDC Central Bank Digital Currency) einführen können. Die BIZ (Bank of International
Zahlungsausgleich) schätzt, dass sich etwa 70% der Zentralbanken zurzeit mit CBDC Währungen beschäftigen. Viele Projekte sind noch im Frühstadium der Planung und Entwicklung. China und Schweden liegen im Bereich der Einführung vorne.
Überraschenderweise tummeln sich auch einige kleine Karibikstaaten in diesem Bereich. Eine einfache Übersicht siehe unten.
Als erstes Land hat Schweden im Februar 2020 mit der Einführung der E-Krone mit einem einjährigen Pilotprojekt gestartet. Wenn die Tests positiv ausfallen, soll 2021 die weitere Einführung eingeleitet werden. Davor haben die Bahamas auch schon einige kleine Einführungs-Schritte mit dem «Sand Dollar» gemacht.
China hat seit 2014 Studien zu elektronischer Währung gemacht. 2018 wurde eine formelle Projektgruppe bei der Zentralbank geschaffen. Wie in China üblich, werden Projekte mit grosser Geschwindigkeit durchgezogen. Seit dem Frühjahr 2020 hat die PBoC (People Bank of China) eine Betaversion ihres Systems E-Yuan zum Testen freigegeben. Für den Test in 4 Städten wurden 113'000 persönliche Wallets und 9'000 Firmen-Wallets eingeführt. Die Anwendung wird in vielen Bereichen getestet. Zum Beispiel bekommen Beamte ihren Lohn in E-Yuan. In Guangzhou wurden am 10.10.2020 in einer grossen Lotterie 70'000 Einwohnern 200 E-Yuan-Guthaben (ca. 25 CHF) verschenkt, mit denen sie Zahlungen durchführen sollen.
Der E-Yuan ist keine klassische Blockchaine-Währung. PBoC spricht von einem BSN (Blockchain-based Service Network – Hyperledger Fabric) System. Die Bausteine nutzen Elemente von Cloud-, KI-, Big Data-, 5G -, …Techniken. Die zugrunde gelegten Algorithmen wurden noch nicht im Detail publiziert. Das System wird aber sicher von der Zentralbank laufend überwacht werden. Der E-Yuan ist ein offizielles Zahlungsmittel und muss als solches wie Bargeld akzeptiert werden. Gemäss den heutigen Auslegungen soll das System 220'000 Transaktionen pro Sekunden schaffen.
Im Juni 2020 erklärte die PBoC die Basisentwicklung des Systems als abgeschlossen. Im August 2020 wurde ein Grosstest angekündigt. Das System soll im unteren Yangtse- und im Pearl Fluss-Delta sowie im Grossraum Beijing ausgerollt werden. In diesem Testgebiet leben rund 30% der Chinesen, etwa 400 Millionen Leute. Das sind mehr als in der ganzen USA. Schlüsselorganisationen bei der Einführung sind die vier grossen Banken ( Bank of China, ICBC Industrial and Commercial Bank of China, Agricultural Bank, China Construction Bank), die drei grossen Mobilfunkunternehmen (China Mobil, China Telecom, China Unicom), die grossen online App Zahlungsplattformen wie WeChat Pay.
Es gibt mehrere Kategorien von Wallets. In einer Kategorie können max. 500 E-Yuan (ca. 60 Franken) gespeichert werden, d.h. wenn es gestohlen würde ist der Verlust sehr begrenzt.
Am 23. Oktober hat die PBoC die geplante Änderung des Bankengesetzes in die Vernehmlassung gegeben. Darin wird geregelt, dass es neben dem herkömmlichen Yuan auch den E-Yuan gleichwertig gibt. Es ist
auch festgelegt, dass in China keine andere E-Währung zulässig ist, und es wird vorgeschlagen, dass die Zahlungs-Plattformen AliPay und WeChat Pay nicht wie erwartet einen Sonderstatus wie systemrelevante Banken bekommen. Die Vernehmlassungsfrist
läuft bis Ende Jahr.
Der gesamte chinesische Einführungsplan ist nicht öffentlich bekannt. Es gibt die Aussage, dass bis zu den olympischen Winterspiele Beijing 2022 das System landesweit verfügbar sein soll.
Mit der forcierten Einführung will China eine Alternative schaffen für den Fall, dass die USA das internationale Zahlungssystem SWIFT für ihre Politik noch mehr kapern würde. Im Ausland soll das System im Seidenstrasse-Projekt getestet und mit Priorität genutzt werden. Auch wird es für chinesische Touristen über Ali Pay und WeChat Pay im Ausland verfügbar sein.
EURO
Einen Beschluss, den E-Euro einzuführen gibt
es nicht. Anfangs Oktober 2020 hat Frau Lagard mitgeteilt, dass die laufenden Studien intensiviert werden, um mit dem Projekt nicht zu stark in Rückstand zu kommen. Man wolle bis Mitte 2021 in der Lage sein, über mögliche Einführungswege
zu entscheiden.
Und was macht die Schweiz?
Der Bundesrat hat am 13. Dezember 2019 beschlossen, dass die SNB (Schweizer Nationalbank) zurzeit keinen E-Franken einführen soll. Man beobachtet
die globale Entwicklung und werde bei Bedarf auf den Beschluss zurückkommen.
Ausblick
Es scheint, dass die Zentralbanken ihre zentrale Position in der globalen Geldwirtschaft nicht aufgeben werden und müssen. Mit der Einführung der staatlichen E-Währungen werden auch Gesetze kommen, die es Privaten verbieten, eigene Währungen zu schaffen. Auch die AntGroup wurde bei dem breiten Einstieg ins Finanzwesen an die kürzere Leine genommen. Private Organisationen können die DLT- und Blockchain-Technologien einerseits zum Schutz von kritischen Daten und Dokumenten einsetzen, oder sie finden Nischen im Bereich von spekulativen Anlagen.
Literatur
Die Blockchain Revolution von Don Tapscott und Alex Tapscott
Kryptowährungen und Blockchain 2.0 von Dr. Julian Hosp
Schönes neues Geld von Norbert Häring
Die dezentrale Revolution von Aron Koenig
Zum Thema hyperledger https://www.hyperledger.org/use/distributed-ledgers
Zum Thema IOTA: https://www.iota.org/
Zum Thema DLT (Distributed Ledger Technology) eine Erklärung von der BOSCH Internet Seite https://www.bosch.com/de/stories/distributed-ledger-technologie/
Noch eine Erklärung zu DLT https://blockchainwelt.de/dlt-distributed-ledger-technologie-ist-mehr-als-blockchain/
Auch das Schweizer Parlament beschäftigt sich mit DLT https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20200910092808664194158159041_bsd039.aspx
Ruedi
20.05.2021 16:23
Besser habe ich noch keine der vielen Erklärungen zur Blockchain Technologie und den Kryptowährungen berstanden als die obige! Vielen Dank - Ruedi
Neueste Kommentare
20.05 | 16:23
Besser habe ich noch keine der vielen Erklärungen zur Blockchain Technologie und den Kryptowährungen berstanden als die obige! Vielen Dank - Ruedi
16.12 | 11:03
Lieber Bernhard - Hab Dank für diesen sehr Informativen Erfahrungsbericht! Vieles was Du beschreibst, deckt sich mit meiner eigenen Berufserfahrungen. Im In- sowie vor allem auch im fernen Ausland!
03.10 | 09:36
Super die Bilder und die Berichte. Wir verfolgen eure Reise mit Interesse. Einige Orte sind mir noch in bester Erinnerung.
Liebe Grüsse
Toni und Erika
02.10 | 08:00
Hallo zusammen. Wir lesen euren Blog mit viel Interesse da wir all die Orte auf unseren 4 Costa Rica 🇨🇷 Reisen kennengelernt haben. Ein wunderschönes Land mit prächtiger Natur. Gute Weiterreise. Lisbet