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Ein Freund hat mich auf den Podcast vom deutschen Asienkenner Prof. Eberhard Sandschneider von der Freien Universität Berlin und Mitglied von einigen deutschen Institutionen, die sich mit Aussenpolitik befassen, aufmerksam gemacht.
Das Interview
aus MachtWas!?! von Ende 2020 über die Machtelite Chinas und das Verhältnis des neuen Exportweltmeisters zur EU, den USA und Russland findet Ihr hier.
https://machtwas.de/podcast-eberhard-sandschneider/ (zirka 70 Minuten)
Seine Aussagen decken sich über weite Bereiche mit meinem Verständnis des aktuellen Verhältnisses zwischen der Volksrepublik China und Europa - viel Bashing, ohne die Situation zu kennen oder einordnen zu können. Es zeigt mir wieder einmal, wie die Meinungen über China bei Personen, die das Land kennen, und solchen, die sich nur über die «lokale» Presse orientieren, auseinander liegen. Um die Situation zu verstehen, braucht es eine tiefere Beschäftigung mit fremden Gegebenheiten. Am besten ist ein längerer Besuch vor Ort, aber mindestens ein vertieftes Faktenstudium aus mehreren Richtungen und Quellen. Ich habe einige Aussagen von Prof. Sandschneider aus meiner Sicht kommentiert.
Qualifikation von Politikern auf nationaler Ebene
Prof. Eberhard Sandschneider sagt, dass die Top-Führungskräfte in der Regel ein ausgezeichnetes Fachwissen hätten, für ihn aber das Auswahlkriterium innerhalb der Partei nicht klar sei. Er macht auch die immer wieder gehörte Aussage, dass ein Präsident Trump, Obama, Bush oder Clinton aufgrund ihrer Erfahrungen in China höchstens eine Position in einer Regionalregierung erreicht hätten. In der chinesischen Welt braucht man drei Dinge, um erfolgreich zu sein: sein persönliches Netzwerk, das lebenslang aufgebaut und permanent gepflegt wird, Fachkenntnisse aus verschiedenen Einsatzgebieten und eine positive Leistungsbilanz. Vorgegebene und gesetzte Ziele müssen erreicht werden. Werden diese verfehlt, ist eine Absetzung von einem Amt wahrscheinlich. Dies kann von den Politikern im Westen nicht gesagt werden. Es werden immer grosszügig Nebelbomben geworfen, andern die Schuld zugewiesen und weiter gemacht - Schwarzpeterspiel ohne Ende.
Früher bot die Schweizerarmee eine gute Basis für den Aufbau des Netzwerkes, das auch für das Berufsleben genutzt werden konnte. In China ist es die CPC «Communist Party of China». Wer ambitioniert ist, stellt während seinem Studium oder früh in der Berufslaufbahn sein Beitrittsgesuch an die Partei (2020: 92 Mio. Mitglieder). Die Partei sucht sich Mitglieder mit Potentialen in verschieden Bereichen aus. Nach einer positiven ein- bis zweijährigen Probezeit kann man als Vollmitglied aufgenommen werden. Von nun an unterstützt, fördert und steuert die Partei die Karriere.
Führungsleute im Staat und der Partei haben einen langen, vielseitigen und erfolgreichen Weg hinter sich, bevor sie Schlüsselfunktionen in der Zentralregierung bekommen. Dazu gehören ein Studium, Führungsfunktionen in der Wirtschaft und Verwaltung, Auslandaufenthalte, Parteischulen, Funktionen auf Gemeindeebene, Provinzebene, zentralstaatliche Institutionen.
Ein gutes Beispiel ist einer meiner Geschäftsführerpartner bei meinem Chinaaufenthalt von 1995 bis 2000, der nun Mitte Fünfzig ist. Sein Lebenslauf sieht grob wie folgt aus:
Viele meiner damals jungen Mitarbeiter sind durch verschiedene Kanäle in Wirtschaft und Regierung aufgestiegen, wovon ich jeweils bei meinen spärlichen Chinabesuchen erfahre, wenn wir «Old Boys» uns treffen, sofern nicht gerade ein wichtiger Termin für den einen oder anderen ansteht.
Die detaillierten Lebensläufe von den Mitgliedern der Regierung sind auf den offiziellen staatlichen Internetauftritten einzusehen.
Zusammengefasst: die theoretische Schulung und die breite Erfahrung in verschiedenen Bereichen und Ebenen bei der Ankunft in den hohen Funktionen sind gross. Gute Verkäufer der eigenen Person ohne Leistungsausweis auf verschiedenen Führungsebenen schaffen es nicht in Topfunktionen.
Vom Westen gesehene politische innerchinesische Krisengebiete
Bezüglich Xinjiang, Hongkong und Taiwan sehe ich die Position Chinas gleich wie Prof. Sandschneider - alle drei Gebiete sind aus chinesischer Sicht chinesische Territorien und deren Status ist bei allem Lärm von aussen nicht verhandelbar. China ist beim Suchen von Lösungen pragmatisch und flexibel. Bei Taiwan rechnet China nicht in Jahren, sondern Jahrzehnten. Allerdings gibt es für China eine rote Linie – wird diese überschritten, wird es wahrscheinlich zum Krieg kommen. Hoffen wir das Beste. Ein pensionierter taiwanesischer Diplomat sagte mir mal: warte einige Jahrzehnte, dann werden China und Taiwan wieder näher zusammenkommen.
In Xinjiang investiert China viel in den wirtschaftlichen Aufbau. Aus chinesischer Sicht wünscht sich der grosse Teil der Bevölkerung, auch von den Uiguren, eine «moderne» Zukunft, nicht ein fundamental islamisch dominiertes Leben. China lässt nicht zu, dass sich in Xinjiang die Situation eines «failed state» entwickelt wie in Afghanistan, Irak oder Nordafrika. Vergleicht man die Toten, Verletzten, Vertriebenen und das Leid, das die dort vom Westen unterstützten Bürgerkriege über Jahrzehnte gefordert haben, so sieht die humanitäre Bilanz der Eingriffe in Xinjiang nicht unvorteilhafter aus. Ob Aufständische als Terroristen oder Freiheitskämpfer bezeichnet werden, hängt stark von dem eigenen Blickwinkel ab. Nebenbei – auch Frankreich hat im Zusammenhang mit den Herausforderungen der islamischen Gemeinschaft seit Jahren Sonderterrorbekämpfungsgesetze in Kraft.
Win – Win Situation bei Vertragsverhandlungen
Prof. Eberhard Sandschneider sagt: Wenn der chinesische Partner von «WIN–WIN» spricht, soll man die Beine in die Hände nehmen und das Weite suchen!
Diese Aussage hat mich veranlasst, diese näher zu beleuchten.
Zuerst was heisst WIN-WIN: Aus meiner Sicht heisst dies nicht, dass man den Gewinn 50 zu 50 teilt, sondern dass jeder einen Anteil bekommt, der in etwa proportional zu seinem Beitrag ist.
Man muss wissen, was es heisst, einen Vertragmit einem Chinesen zu machen:
Ich möchte nun darstellen, wie sich die Situation und die Beitragsbilanz in dem von mir vor über 25 Jahren gestarteten Joint Ventures entwickelt hat.
Produkt des JV (Joint Venture): Mechanische, hydraulische, elektrische Lenkungssysteme für PKW, SUV und leichte kommerzielle Fahrzeuge.
Joint Venture Partners:
Was jeder JV Partner beim Start im 1995 ins JV eingebracht hat:
Das JV hat für jedes eingeführte Produkt eine Einmal-Lizenz an den deutschen Anteilseigner bezahlt.
Was in den 25 Jahren seit der Gründung passiert ist:
Wo das JV heute steht:
Wenn man ehrlich ist, wird heute bei der Autoherstellung in China fast die gesamte Wertschöpfungsleistung vor Ort erzeugt, was dazu führt, dass bei den meisten Automobil-Weltkonzernen mehr als der halbe Profit in China generiert wird. Die Gewinnausschüttung eines Joint Ventures basiert aber auf dem Eigenkapital. Die ausländischen Automobilkonzerne profitieren somit unverändert vom guten Anteil des WIN, obwohl ihr Beitrag nicht mehr dem Niveau der Startphase entspricht. Um die Quelle am Sprudeln zu erhalten, müssen sie langfristig einen neuen substanziellen Beitrag in Produkten leisten, was möglicherweise schwierig wird. Bei der Elektromobilität, der Technik der Zukunft, ist Europa schon in der Defensive. Die Vorbehalte der Bevölkerung Europas zur modernen Technik sind ein grosser Nachteil, um in diesem Bereich in Zukunft eine führende Rolle zu spielen. China stellt sich auf die Position, dass beim Elektroauto alle auf der gleichen Basis starten und sie das Rennen gewinnen wollen.
Den grössten Markt der Welt bekommt man nicht zum Nulltarif.
Ich hoffe, damit die Aussage von Prof. Eberhard Sandschneider zu WIN-WIN ergänzt zu haben.
Neueste Kommentare
20.05 | 16:23
Besser habe ich noch keine der vielen Erklärungen zur Blockchain Technologie und den Kryptowährungen berstanden als die obige! Vielen Dank - Ruedi
16.12 | 11:03
Lieber Bernhard - Hab Dank für diesen sehr Informativen Erfahrungsbericht! Vieles was Du beschreibst, deckt sich mit meiner eigenen Berufserfahrungen. Im In- sowie vor allem auch im fernen Ausland!
03.10 | 09:36
Super die Bilder und die Berichte. Wir verfolgen eure Reise mit Interesse. Einige Orte sind mir noch in bester Erinnerung.
Liebe Grüsse
Toni und Erika
02.10 | 08:00
Hallo zusammen. Wir lesen euren Blog mit viel Interesse da wir all die Orte auf unseren 4 Costa Rica 🇨🇷 Reisen kennengelernt haben. Ein wunderschönes Land mit prächtiger Natur. Gute Weiterreise. Lisbet