Nationale Interessen

Gedanken zu kürzlich gelesenen Büchern

Nach einem gelesenen Buch oder Büchern erarbeite ich gerne einen Überblick über einige wesentliche Punkte, in einer für mich sinnvollen Form. «Nationale Interessen» von Klaus von Dohnanyi habe ich ins Zentrum einer solchen Betrachtung gestellt.

Das Buch von Klaus von Dohnanyi hat mir in dieser turbulenten Zeit gezeigt, dass es noch Denker gibt, die die Situation aus einer räumlichen und zeitlichen Distanz betrachten, analysieren und einige Schritte in die Zukunft denken. Wichtig wäre, dass die Politik nicht aus Tagesereignissen Aktivitäten startet, aus denen es keinen vernünftigen Ausstieg gibt, ohne einen grossen Gesichtsverlust. Wir haben anscheinend keine «Schachspieler» und Strategen mehr in der Politik, die einige Schritte vorausdenken und dabei die Optionen des Gegners berücksichtigen. So sind zum Beispiel Sanktionen selten durchdacht. Die Geschichte lehrt, dass die meisten ihr Ziel nicht erreichen und kontraproduktiv sind. Grosse Teile der nicht westlichen Welt verbessern zurzeit ihre interne und internationale Markposition dank den verhängten Sanktionen.

 «Nationale Interessen»

Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche
Klaus von Dohnanyi
Zurzeit finden grosse Veränderungen und Umbrüche in der Welt statt. Klaus von Dohnanyi (heute 94-jährig, Mitglied der SPD, früherer erster Bürgermeister von Hamburg und Bundesminister) hat in seinem neuesten Buch «Nationale Interessen» eine aus meiner Sicht gute Analyse der aktuellen Situation für Deutschland im Beziehungsnetz mit der EU, den USA, China und Russland erarbeitet. Er analysiert und überblickt  grosse Zeiträume und unterscheidet sich damit wohltuend von den kurzsichtigen und undiplomatischen Äusserungen von aktuellen deutschen Politikern wie z.B. Annalena Baerbock (siehe auch Baerbock, der Schicksalsschlag unserer Nation – und die Tagesschau als Regierungssprachrohr (nachdenkseiten.de) Die Ahnungslosigkeit deutscher Außenpolitik in Bezug auf Taiwan (nachdenkseiten.de), Baerbocks Grundsatzrede – Die Größenwahnsinnige (nachdenkseiten.de)  ), Robert Habeck, Olaf Scholz usw. Ihre populistischen Aussagen tragen meistens nichts zur Lösung von internationalen Herausforderungen und Spannungen bei, sie sind nicht einmal innerhalb der eigenen Regierungskoalition abgestimmt, sondern sollen primär beim heimischen Publikum als Eigenwerbung gut ankommen. Von Dohnanyi erinnert mich an Henry Kissinger, der sich auch in die Bedürfnisse des Gegners eindenken kann und fähig ist, eine gemeinsame, oft langfristige Lösung zu erarbeiten. Die heutigen Alles-oder-Nichts-Ansätze führen zu globalen Verwerfungen, zur Senkung des Lebensstandards vieler und zu verschiedenen Katastrophen (Hunger, Klima, Krieg). Diplomatie heisst einen gemeinsamen Nenner für unterschiedliche und komplexe Ziele suchen und finden. Dies funktioniert nach meiner Einschätzung nur mit Verhandlungen im Hintergrund und nicht durch einen Schlagabtausch auf offener Bühne. Von Dohnanyis globale Analyse teile ich weitgehend. Im Bereich der sozialen Markwirtschaft deutscher Prägung deckt sich meine Meinung nicht immer mit seiner. Der Staat soll sich mit der Regelung der Wirtschaft zurückhalten und nicht in einer Überregulierung die Entwicklung behindern, oder noch schlimmer, es selber machen wollen.

Von Dohnanyis Analyse endet Ende des Jahres 2021 - leider ist nun im Jahre 2022 das eingetreten, was auch aus seiner Sicht nicht hätte geschehen dürfen, nämlich dass die EU in einen heissen Konflikt mit Russland verwickelt ist. Europa soll sich nach von Dohnanyi nicht von den USA für ihre Politik vereinnahmen lassen, sondern die Beziehungen zu Russland und China offen selbst gestalten. In den letzten Tagen habe ich auch das Buch von Walter Laqueur «Putinismus – Wohin treibt Russland» gelesen. Auch er stellt klar, dass auf der Basis der russischen Geschichte, Philosophie, Literatur, Politik und Religion der Westen die Seele Russlands und seine Bedürfnisse nicht kennt, und noch weniger, sie in die Zusammenarbeit einbezieht. Mit der Option und Zielsetzung, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, wurde mehr als eine rote Linie überschritten. Ein Handeln Russlands wurde deshalb für Russland alternativlos, besonders auch weil die aktuelle ukrainische Regierung die Bedürfnisse der russischstämmigen Bevölkerung im Ostteil des Landes (Donbas) nicht berücksichtigte. Die vorgeschlagene neue Verfassung hat keine regionalen Autonomien vorgesehen. Die Reaktionen des Westens waren unreflektiert und er torkelt nun von einem Problem zu einem anderen. Der bestehende Konflikt muss diplomatisch gelöst werden und kann nicht im Festschreiben einer zentralistisch regierten Ukraine, möglicherweise gar als NATO-Mitglied, in den Grenzen vor 2014 durchgeboxt werden. Die Landesgrenze der Ukraine entsprach der internen Verwaltungsorganisation der Sowjetunion und nicht der eines gewachsenen Staates. Die Bedürfnisse und Erwartungen der Bevölkerung in den Grenzregionen sind sehr unterschiedlich. Auch Thomas Röper zeigt in seinem Buch «Vladimir Putin - Seht ihr, was Ihr angerichtet habt?» auf der Basis von Putins Originalreden der letzten 20 Jahre auf, dass er klar «rote Linien» aufgezeigt beziehungsweise angekündigt hat. Diese wurden immer wieder vom Westen überschritten, obwohl teilweise schriftliche und mündliche Absprachen getroffen wurden. Zum Beispiel hat Putin einen Prozess für verfassungsmässige Neuwahlen im Jahr 2014 in der Ukraine aufgezeigt und mit den Westmächten abgesprochen. Als die Situation in Kiew aus dem Ruder lief, die Aufständischen die Macht auf der Strasse übernahmen, hat der Westen die Absprachen fallen gelassen und den verfassungsmässig unzulässigen Prozess unterstützt.

Auch der von Brüssel mehr oder weniger diktierte BREXIT Vertrag gehört in die Kategorie von ungenügender Berücksichtigung des Partners und ist für England in der jetzigen Form keine Zukunftslösung geworden. Eine Aussenzollgrenze ins Inland (zwischen Irland und dem Rest von Britannien) zu verschieben ist Unsinn. Ich begrüsse auch den Entscheid des Bundesrates, die Verhandlungen für ein Rahmenabkommen als Weiterentwicklung der Bilateralen I und II abzubrechen. Der EU-Standpunkt «Take our offer or leave the table» zeigt mir eine Arroganz, die ich nicht akzeptiere.  Der Freihandelsvertrag zwischen der EU und den USA (TTIP) ist an der Inflexibilität der EU gescheitert. Aus Rücksicht auf die Sensibilität der eigenen Bevölkerung wird auf Punkten bestanden, die auch anders gelöst werden könnten. Mit dem europäischen Ansatz, dass neue Lösungen erst bewilligungsfähig sind, wenn auch kleinste potenzielle Risiken ausgeschlossen werden können (z.B. genmodifizierte Nahrungsmittel), sind keine zeitlich rechtzeitige und zukunftsfähige Lösungen machbar. Der Ansatz, solche Risiken durch intensive Marktbeobachtung im Auge zu behalten und bei negativen Abweichungen schnell zu korrigieren, wie ihn andere Staaten verfolgen, ist erfolgreicher.

Der Westen versucht, unter dem schönen Begriff «regelbasierte Entwicklung» seine Weltsicht global durchzusetzen. Unter «regelbasiert» versteht er die von den westlichen Siegermächten des 2. Weltkrieges selbst definierten Regeln, die einseitig zu globalen Standards aufgewertet wurden. Auf dieser Basis wird es in einer multilateralen Welt keine globalen befriedigenden Zukunftslösungen geben.

Klaus von Dohnanyi sieht die Hauptaufgabe jeder Regierung, sich in erster Linie um das Wohl der eigenen Bewohner zu sorgen und kümmern, unter Berücksichtigung der eigenen Möglichkeiten und der eigenen vorhandenen Ressourcen. Wenn dies durch Kooperation mit anderen Ländern möglich ist, umso besser. Sie soll nicht eine missionarische Weltverbesserungspolitik zu Lasten der eigenen Bürger verfolgen.

Eines seiner Hauptkriterien für eine gute Politik, besonders auch für Europa, ist eine Politik, die auf dem Subsidiaritätsprinzip aufbaut.
Subsidiarität bedeutet, dass öffentliche Aufgaben möglichst bürgernah geregelt werden sollen. Probleme sollen auf der niedrigsten politischen Ebene gelöst werden. In Deutschland sind das die Kommunen, dann die Bundesländer, in der Schweiz die Gemeinden, dann die Kantone. Erst wenn ein bestimmtes Problem dort nicht gelöst werden kann, wird die Regelungskompetenz nach "oben" abgegeben. Für das Verhältnis der Nationalstaaten zur Europäischen Union heißt das: Die EU soll sich nur um Dinge kümmern, die sie besser regeln kann als die einzelnen Mitgliedsländer oder Regionen.

Deutschland und auch die Schweiz haben dieses Prinzip gut in ihre nationale Organisation integriert. Interessant ist auch von Dohnanyis Aussage, wie sich die Mentalität der Schweizer Politik von der Deutschen abhebt. Die Schweizer seien die Praktiker, es würden Sachaufgaben diskutiert und darüber abgestimmt - Strassenbau, Flugzeugbeschaffung, Ausgestaltung der Sozialversicherung usw. Die Deutschen wollen eher die ganze Welt verbessern, die globale CO2 Reduktion, die Arktis retten, soziale Gleichstellung, mindestens die Ukraine retten, ….

Das grösste Problem in Europa sei, dass sich die EU nicht an die eigenen festgeschriebenen Prinzipen hält wie z.B. das Subsidiaritätsprinzip. Der «Moloch»-Brüssel wolle viele Kleinigkeiten im Detail regeln. Dafür hat ein Teil der EU den gemeinsamen EURO eingeführt und neben der europäischen Nationalbank auch die Ländernationalbanken beibehalten, ein Währungssteuerungssystem, das nicht funktionieren kann.
Doch bis heute hat noch kein Mitgliedstaat nach einem europäischen Bundesstaat gerufen. Die Vision Vaterland der Vaterländer von General de Gaulle sei immer noch das höchste der Gefühle, also ein Staatenbund. Für einige Staaten scheint auch eine Wirtschaftsgemeinschaft zu genügen.

Die EU mit den vielen verschiedenen Völkern, Sprachen, Kulturen sei noch lange nicht bereit für eine tiefere Integration. Die heutige Politik der EU-Kommission und des Europarlaments könne zu weiteren Austritten und Spaltungen führen. Die Kommission setze sich mit ihrer Finanzpolitik über die Verträge weg bzw. lege sie für ihre Bedürfnisse aus. Als das deutsche Verfassungsgericht ein Verfahren einleitete, um die Vertragskonformität zu überprüfen, sprach die Kommission dem deutschen Gericht die Rechtmässigkeit ab und löste ein Verfahren gegen Deutschland am EU-Gerichtshof aus. Von Dohnanyi ist überzeugt, dass Brüssel zugunsten der Mitgliedstaaten und den Regionen zurückgebunden werden muss.

Ein weiterer Schwerpunkt ist Zurückbindung der Dominanz der USA. Die USA sei weder die Weltregierung noch der Weltpolizist. Die USA benutze Europa nur als ihren Brückenkopf auf der eurasischen Landfläche und optimiere die Organisation zu ihren Gunsten. Europa sei für die USA gut als Schlachtfeld gegen Osten. Europa müsse beginnen, eine eigene unabhängige Weltpolitik zu machen und gegenüber Asien eine Politik verfolgen, die den EU-Bedürfnissen entspreche und nicht denen der USA.

In Zukunft ist die militärische Stärke nicht das Hauptkriterium einer starken Weltmacht, sondern ihre wissenschaftliche, technologische und innovative Stärke. Europa habe eine gute Forschungsbasis, sei aber schwach in der wirtschaftlichen Umsetzung. Europa fokussiere sich bei der Kommerzialisierung viel zu stark auf die Regulierung neuer Techniken und dem Aufzeigen der Gefahren, dann folge die Wertediskussion, und dabei wird die Kommerzialisierung verpasst – die USA, China und weitere asiatische Staaten teilen sich den Markt auf.

Von Dohnanyi sieht auch eine Schwäche im europäischen Politsystem, das mehr und mehr auf allen Stufen aus Berufspolitikern besteht. Viele starten nach dem Studium ihre Karriere in der Verwaltung und übernehmen Regierungsaufgaben auf allen Ebenen. Die Erfahrung in Forschung und Wirtschaft fehlt ihnen. In den USA und China sei dies anders. Er sieht persönlich Schwierigkeiten, das Rad bei den europäischen Berufspolitikern zurückzudrehen, appelliert aber, in der Verwaltung und den Staatssekretären stärker einen laufenden Austausch mit der Wirtschaft und Forschung zu pflegen.

Von Dohnanyi empfiehlt Europa, eine eigene Politik zu verfolgen, unabhängig von den USA, China, Russland und natürlich von weiteren aufstrebenden Staaten, und dabei im Wesentlichen die eigenen Interessen zu berücksichtigen. Europa soll von der Seuche Abstand nehmen, überall Wirtschaftssanktionen zu verhängen. In den meisten Fällen schadet man sich selbst auch stark oder sogar noch stärker. Mehr und mehr stehen dem Sanktionierten globale Alternativen zur Verfügung. Verlorene Märkte oder Kunden kommen nicht mehr leicht zurück, weg ist weg!

Er sieht die NATO-Osterweiterung als einen Fehler, eine noch weitere Osterweiterung wäre gar eine ernste Gefahr für Europa. Dies hat sich in den letzten Monaten brutal bestätigt. Die Wirtschaft Europas könnte um Jahre zurückgeworfen werden und zu nachteiligen Verwerfungen in der Weltwirtschaft führen.

Nach seiner Meinung ist für den weiteren Ausbau der EU Deutschland und Frankreich in der Topverantwortung, er möchte aber, dass Frankreich die Führung übernimmt. An verschieden Beispielen, auch aus der Wirtschaft, zeigt er auf, dass Frankreich besser geeignet ist, Projekte von europäischer Tragweite zu führen (globale Aussenpolitik, Atombewaffnung, Atomenergie, Flugzeugindustrie, etc.).
Deutschlands Stärke und Interesse sei der wettbewerbsfähige Sozialstaat. Damit hätte Deutschland 150 Jahre Erfahrung und könne diese in die EU einbringen.

Ein Nachwort von mir

Bei uns im Westen tituliert man gerne Menschen, die sich in fremde Kulturen einlesen und diese verstehen wollen, als «Versteher», mit einem negativen Untertonn. China-Versteher, Putin- Versteher, Erdogan-Versteher, Orban-Versteher, Araber-Versteher usw. sind negative Begriffe geworden, die das Denken über den Tellerrand hinaus verhindern oder verbieten wollen. Ich versuche, Themen, die mich beschäftigen, zu verstehen, und ich bin stolz auf meine jeweiligen eigenen Analysen. Ein «Versteher» zu sein ist für mich ein positiver Begriff. Die Meinung anderer nachzuplappern ist einfacher. Diesem Ziel haben die in den letzten Wochen gelesenen Sachbücher aus aktuellen Spannungsgebieten gedient, teilweise schon erwähnt. «Putinismus» von Walter Laqueur, «Afghanistan verstehen» von Rainer Hermann, «Modi’s India» von Chritophe Jaffrelot, «Indien Superpower» von Michael Braun Alexander, «Where great powers meet» America & China in Southeast Asia von David Shambaugh, «Geschichte der Türkei von Atatürk bis zur Gegenwart» von Maurius Reinkowski, «Die Macht der Geografie im 21. Jahrhundert» von Tim Marshall, «Staatskunde, 6 Lektionen für das 21. Jahrhundert» von Henry Kissinger und «Vladimir Putin - Seht Ihr, was ihr angerichtet habt»? von Thomas Röper.

Thomas Röper hat in seinem Buch Reden von Putin zwischen 2001 und 2018 ins Deutsche übersetzt und persönlich nur den Rahmen, an dem die Rede gehalten wurde, erklärt. Nach seiner Beurteilung wird bei uns viel über Putin gesprochen, aber seine eigenen Worte verschweigt man. Die Lektüre zeigt einen geschichtsbewussten und global gut informierten Mann, der über 20 Jahre eine konsistente berechenbare Meinung hat. Man wollte sie nicht hören und ist deshalb heute in dieser komplexen schwer lösbaren Situation.

Er zeigt an mehreren Beispielen auf, wie der Westen die Regeln zu seinen Gunsten biegt und Verträge nicht einhält.

Als ein Beispiel erwähne ich den Fall Kosovo und Ukraine. Kosovo war eine Provinz von Serbien, das bis 1992 ein Teil Jugoslawien war. Die Befreiungsbewegung des Kosovo griff 1998 die Polizei Serbiens an und löste den brutalen Bürgerkrieg aus. Am 24. März 1999 griff die NATO Serbien an, wohlverstanden ohne ein Mandat der UNO. Dieser Krieg forderte 12 bis 15'000 Menschenleben. Am 7. Mai 1999 griff die NATO sogar die chinesische Botschaft in Belgrad gezielt an. Am 10. Juni 1999 wurde der Kosovo durch die NATO befreit. Im Nachhinein wurde die UN KFOR Truppe zur Sicherung des neu gebildeten Staates KOSOVO ins Land geschickt, und der Westen anerkannte das neue Land.

Der Ukraine-Krieg stellt eine ähnliche Situation dar. Provinzen der Ukraine erklärten sich als unabhängig, und Russland unterstützt die diese Unabhängigkeitsbewegung militärisch. Nach dem gleichen Schema wie in Kosovo müsste ein neuer Staat gebildet werden, der durch ein UNO-Mandat gesichert wird.

Zwei fast identische Fälle, für den Westen ist der Kosovo-Fall eine gute Lösung, die gleiche Lösung steht in der Ostukraine nicht zur Diskussion. Man akzeptiert lieber einen weltweiten Wirtschaftsschaden oder sogar einen Atomkrieg.

Putin sprach über mehrere weitere Fälle, in denen der Westen mit Russland Vereinbarungen getroffen hat, die er anschliessend nicht einhielt. Der Westen ist kein Verhandlungspartner auf Augenhöhe!

Ja, die Weltlage ist unstabil geworden, weil vieles im Wandel ist. Gesichert Geglaubtes wird neu justiert. Insbesondere all die westlichen Sanktionen und die Androhungen von Sanktionen haben dazu geführt, dass das globale Handelssystem stark gestört wurde, Alternativen aufgebaut und eingeführt werden. So steht zum Beispiel der US$ als globale Zahlungswährung mittelfristig zur Diskussion. Im Rahmen des Seidenstrassenprojektes wurden schon mehrere Vereinbarungen zwischen Ländern getroffen, nach denen in den Währungen der beiden Partner bezahlt werde. Es wird vermehrt spekuliert, dass die Türkei Einkäufe und Verkäufe zwischen Russland und westlichen Lieferanten durchführt. Da das internationale Zahlungssystem SWIFT vom Westen, insbesondere der USA, gekapert wurde, sind alternative Lösungen im Aufbau (z.B. das chinesische CIPS oder der elektronische RMB).
Die Weltbank und der IWF haben den nichtwestlichen Ländern nur kleine Anteile und wenig Mitsprache zugestanden. Asien (ADB Asiatische Entwicklungsbank) und China (AIIB Asian Infrastructure Investment Bank, CDB China Development Bank) haben deshalb ihre eigenen internationalen Finanzierungsinstitute aufgebaut. Dies führt im Falle von Zahlungsausfällen zu einem Schwarz-Peter-Spiel. Jedes Institut befürchtet, dass bei Zahlungsausfall auf seine Kosten saniert wird. Ein oft diskutierter Fall ist Sri Lanka. Von den 35 Milliarden US$ Auslandschulden sind zirka 10% chinesische Kredite an den Staat Sri Lanka. Es wird auch spekuliert, dass weitere 10% wirtschaftliche Kredite aus China sein könnten. Damit wären rund 20% der Auslandverschuldung Sri Lankas China geschuldet. Weitere Kreditgeber sind: International sovereign bonds 36%, Asian Development Bank 15%, World Bank 10%, Japan 9% und diverse andere. Die Restrukturierung ist schwierig, weil z.B. China nicht Mitglied der OECD ist. Jeder fürchtet, dass er mehr zur Kasse gebeten wird als andere Kreditgeber. Dazu kommt, dass China teilweise starke Absicherungen in ihren Verträgen hat, das heisst, dass Investitionen in ihren Besitz gehen, wenn die Rückzahlungen in Verzug fallen (z.B. Frachthafen von Colombo). Solche Absicherung macht in der Regel jede Bank bei Sachkrediten, wie Haushypothek, Autokredit, etc.
Es hat immer mehr Spieler auf dem globalen Feld und keine kompetenten Schiedsrichter. Das führt natürlich zu Diskussionen, roten Köpfe oder sogar Schlägereien. Dies wird in nächster Zeit in weiteren Bereichen der Fall sein. Weder die UNO noch andere «Weltmächte» haben heute ein allgemein anerkanntes Schiedsrichterpatent. Gleichzeitig wird noch viel über die Änderung der Regeln diskutiert und gekämpft.

Neueste Kommentare

20.05 | 16:23

Besser habe ich noch keine der vielen Erklärungen zur Blockchain Technologie und den Kryptowährungen berstanden als die obige! Vielen Dank - Ruedi

16.12 | 11:03

Lieber Bernhard - Hab Dank für diesen sehr Informativen Erfahrungsbericht! Vieles was Du beschreibst, deckt sich mit meiner eigenen Berufserfahrungen. Im In- sowie vor allem auch im fernen Ausland!

03.10 | 09:36

Super die Bilder und die Berichte. Wir verfolgen eure Reise mit Interesse. Einige Orte sind mir noch in bester Erinnerung.
Liebe Grüsse
Toni und Erika

02.10 | 08:00

Hallo zusammen. Wir lesen euren Blog mit viel Interesse da wir all die Orte auf unseren 4 Costa Rica 🇨🇷 Reisen kennengelernt haben. Ein wunderschönes Land mit prächtiger Natur. Gute Weiterreise. Lisbet